Ist Dein Hund zu gestresst zum Lernen?

Warum Stress das Training mit Deinem Hund erschwert.

Kennst Du Aussagen, wie diese über gestresste Hunde:

  • „Der ist zu gestresst zum Lernen.“
  • „Mit dem ist Training nicht möglich, dafür hat er zuviel Stress.“
  • „Solange der Stress hat, kannst Du mit ihm nichts machen.“

Ich höre sie ziemlich regelmäßig und manchmal kostet es mich wirklich viel Energie, nicht sofort das „Dagegen“ Schild hochzuhalten.

Diese Aussagen sind mir zu plakativ und zu undifferenziert. Das Thema aus allen Facetten zu beleuchten, mag den Rahmen sprengen, deswegen habe ich hier auch gar nicht den Anspruch. Doch ein wenig genauer, sollten wir schon hinschauen.

Falls Du zunächst wissen möchtest, was Stress beim Hund eigentlich ist und wie  er wirkt, empfehle ich Dir diesen Artikel. Zu wissen, dass Stress nicht per se böse ist, sondern ein biologisch notwendiges System, ist wichtig, um zu verstehen, warum die Aussage so nicht korrekt sein kann.

Was hat Lernen beim Hund mit Stress zu tun?

Lernen geschieht immer und überall. Es ist genauso selbstverständlich, wie die Schwerkraft. Müssten wir uns Gedanken über das Lernen machen, damit wir lernen können, so wäre der Prozess viel zu langsam und energieraubend.

Lernen ist nicht, das auswendig lernen von Vokabeln, das blinde Abspulen von Verhalten auf Signale und parieren, was das Zeug hält. Klassisches Hundetraining und Übungen für den Hund mit einem bestimmten Ziel, sind lediglich Teil des Lernens. Und im Prinzip nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges. 

Lernen ist die Anpassung des Individuums auf die Umwelt. Das Entwickeln von Strategien und Verhaltensweisen, die das Individuum in eine bessere Lage bringen. Neue sinnvolle Strategien zu erlernen, verringert im Übrigen das Stressniveau deutlich und ohne lernen oder andere Veränderungen, verändert sich auch nicht die Stressbelastung. 

Die wirklich elementaren Dinge lernen wir nicht bewusst. Sie finden in den tieferen Schichten unseres Gehirns statt. In den Bereichen des Stammhirns und des limbischen Systems.

Hier werden am laufenden Band Entscheidungen unbewusst und emotional getroffen. Auch, wenn wir uns für reflektierte und logische Wesen halten – was Hunde im Übrigen von uns unterscheidet. Es werden Prozesse angeworfen, die physiologische und emotionale Bedürfnisse befriedigen und dabei stets versuchen die Balance aus Stimulation – Sicherheit und Selbstwirksamkeit herbeizuführen. Dieser Bereich hört auch bei Stress nicht auf, sondern wird sogar aktiver und wichtiger. Er sichert das Überleben und ist der große unsichtbare Teil des Eisberges. 

Werden die tieferen Hirnstrukturen aktiver, werden sie noch mächtiger. Uralte Überlebensprozesse und das Suchen nach dem Weg den Stress wieder zu reduzieren oder zu kompensieren, sorgen dafür, dass das Individuum in dieser anstrengenden Zeit überlebt. Diese Funktionen sind nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren Hunden aktiv. 

Das Resultat: Ein impulsives, hoch emotional agierender Hund, der verzweifelt im Hier und Jetzt einen Ausweg sucht und dabei lernt, was es – wenn auch nur für einen kurzen Moment – befriedigt und was nicht. Nicht selten sind Hunde, die als reaktiv oder impulsiv beschrieben werden, schlichtweg unter Dauerspannung und gestresst. Anders als wir, kann Dein Hund sich nun aber nicht auf die Yogamatte werfen oder gezielt Atemübungen einsetzen, um die Spannung zu reduzieren. 

Der Preis, den unsere Hunde und wir dafür zahlen, ist hoch! In meinem Kurs “Sicherheit schenken und Bindung stärken” lernst Du Übungen kennen, mit denen Du Deinen Hund in stressigen Situationen zum tief Durchatmen und Innehalten bringen kannst.

Stress beim Hund verändert das Gehirn – zum Nachteil.

Stück für Stück werden die Verbindungen in den reflektierten, planenden und „denkenden“ Gehirnbereich schwächer, teilweise sogar gekappt. Du findest deine Schlüssel nicht mehr, in einer Prüfung haben wir ein Black Out. Dein Hund hat einfach keine Ahnung mehr, was „Platz“ oder „Hier“ bedeuten. Er kann also die Signale nicht mehr unterscheiden und auch nicht mehr die passenden Bewegungsmuster abrufen.

Wer lernen und Hundetraining also gleichsetzt mit dem Lernen von klassischen Kommandos, die dem Sitz, der hat Recht: Es funktioniert unter Stress nicht. 

„Schuld“ ist unter anderem der Hippocampus. Der Teil unseres Gehirns, der eine wichtige Schaltstelle zwischen den Gehirnbereichen ist und der bei einer längeren oder krasseren Flutung mit dem „Stresshormon“ Cortisol schlichtweg in die Knie geht. 

Je nachdrücklicher Du wirst, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund Dich eher als Gefahrenquelle einstuft und mehr Stress empfindet. Nicht, dass du nun säuselnd durch die Gegend laufen sollst. Doch dein Hund braucht nun vor allem gute Interaktion und Sicherheit, dass bei Dir Gutes in Form von Struktur, Sicherheit und Fürsorge zu finden sind. Zuverlässigkeit von Dir ist das A&O.

Im Vortrag “Mensch-Hund-Beziehung bedürfnisgerecht gestalten” gehen Biologin Dr. Sandra Foltin und ich auf diese Themen intensiv ein.

Was kann der gestresste Hund lernen?

Hundetraining und Hundeerziehung, die alleine auf das Ausführen auf Verhalten, wie „Sitz“, „Platz“ und andere Klassiker setzen, kommen also bei Stress schnell an ihre Grenzen.

Diese Grenzen sind oft zum Leidwesen der Hunde und zugleich frustrierend für uns. Denn beide Seiten geraten mehr und mehr unter Druck, fühlen sich überfordert, hilflos und frustriert. Ein Teufelskreis: Denn unter Stress greifen beide Seiten mehr und mehr auf wenig durchdachte bereits genutzte Strategien zurück, die in der Vergangenheit vermeintlich hilfreich waren und wird dabei oft heftiger.

Hat der Hund also in der Vergangenheit beispielsweise die Situation durch bellen, flüchten, anspringen für sich für kurze Zeit ändern und Erleichterung verspüren können, wird er wieder diese Strategie wählen. Tritt – und sei es nur für eine Sekunde – Erleichterung ein, wird diese Strategie gefestigt. Denn das Hundegehirn lernt in den stressigen Momenten sehr gut, was ihm einen Ausweg aus dem Stress bringt. 

Oft entwickeln sich daraus Übersprungsverhalten, die das Potential haben, sich zu exzessiven Verhaltensweisen auszuweiten. Das können Verhaltensweisen aus dem Jagdverhalten (z.B. Buddeln oder Hetzen), aus dem Komfortverhalten (z.B. Belecken und beknabbern) oder aus anderen Verhaltensweisen sein. Auch diese Verhalten werden unter Stress manifestiert, ritualisiert und perfektioniert – also gelernt. 

Kann man Hundetraining ohne Stress gestalten?

Ein Leben ohne Stress gibt es für Hunde nicht. Doch Hundetraining soll ja sinnvolle Lerngelegenheiten erschaffen und das geht definitiv ohne Stress, wenn auch nicht ohne Herausforderungen. 

Stress entsteht nicht aus dem Nichts, sondern, weil das Hundegehirn Situationen als stressig einordnet. Diese Situationen überfordern den Hund. Er weiß nicht mit ihnen umzugehen, erleidet einen Kontrollverlust und hat keine Lösung parat. 

Genau das gilt es unbedingt im Training zu vermeiden, sondern viel mehr dafür zu sorgen, dass Training die Lösungen für den Hund liefert. 

Wie kann ich meinen Hund ohne Stress trainieren?

Der erste Schritt ist es Dich mit dem Lernverhalten von Hunden auseinanderzusetzen und so unnötigen Stress durch Missverständnisse und Kommunikationsprobleme zu minimieren. 

Wenn Dich das Lernverhalten, die Auswirkungen von Belohnung und Strafe interessieren, dann empfehle ich Dir meinen Vortrag „Süßes, sonst gibt es Saures“

Du erfährst, wie Du Trainingsmethoden hinterfragen und nach ihrer Zielsetzung einordnen kannst. 

Der zweite Schritt ist es, an einer sauberen und klaren Kommunikation mit dem Hund zu arbeiten, die Dich als zuverlässige und unterstützende Bezugsperson an seine Seite stellt. 

Der dritte Schritt ist es, dann auf den Teil des Eisberges zu setzen, der unter der Wasseroberfläche liegt und Deinem Hund über Routinen, Rituale und auf dieser Ebene aufgebaute Signale zu mehr Entspannung, Erholungsmöglichkeiten und weniger Stress zu verhelfen. 

Genau diese Grundlage kannst Du in meinem Kurs „Sicherheit schenken und Bindung stärken“ lernen! 

Er enthält tolle Trainingselemente, die sich dieses Wissen zu Nutze machen und statt auf einen Kadavergehorsam zu setzen, die wichtigen Aspekte und damit Motivatoren des Lebens (Sicherheit – Stimulanz – Selbstwirksamkeit) geschickt nutzen. So ist der innere Antrieb perfekt genutzt und das Tier kommt automatisch im Training einer Balance immer näher.

Und wenn mein Hund total stressempfindlich ist?

Gerade wenn ein Hund aktuell den Lebensraum gewechselt hat oder vielleicht unter Schmerzen und Krankheit leidet, werden die inneren Motivatoren für sein Gehirn elementar. Nun auf ein unterstützendes Training zu verzichten, würde bedeuten, dem Hund eine Chance auf mehr Wohlbefinden zu verbauen. 

Es gibt Lebensphasen in denen können wir unseren Hunden den Stress nicht ersparen. Wir können gerade in diesen Zeiten jedoch besonders auf die vermeidbaren Situationen und Auslöser schauen – auch wenn sie noch so klein und albern erscheinen – und dem Tier damit Erleichterung schaffen.

Gut aufgebaute Rückzugsorte, eine gute Strukturierung des Tages, angepasste Interaktionen und vor allem das Ausleben lassen der eigenen Bedürfnisse werden, dein Tier dabei unterstützen die Stress-Belastung bald wieder zu reduzieren.

Du kannst also immer etwas tun! Wenn Du es jetzt angehen willst und Deinem Hund unterstützend zur Seite stehen willst, empfehle ich Dir diese drei Produkte aus meinem Shop.

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